Einleitung
Am 15. August 2019 legte das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität vor, wie es im Koalitionsvertrag der 19. Legislaturperiode festgelegt wurde. Kernpunkt dessen ist der Entwurf eines Gesetzes zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten, kurz: Verbandssanktionengesetz (VerSanG). Die Notwendigkeit einer solchen Regelung wird in dem derzeitigen Umstand gesehen, dass Verbandsstraftaten „lediglich mit einer Geldbuße nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz geahndet werden“ können (RefE, S. 1). Unabhängig davon, wie groß der Verband ist, liegt die Höchstgrenze der Geldbuße bei zehn Millionen Euro. Während diese Summe für einen Großkonzern regelmäßig kaum spürbar sein dürfte, trifft sie mittelständische Unternehmen ungleich härter.
Verbandsstraftaten künftig angemessen sanktionieren zu können, was u.a. die Beseitigung dieses Ungleichgewichts zur Folge hätte, ist das erklärte Ziel des VerSanG.
Derzeitige Rechtslage
Nach derzeitiger Rechtslage ist die Ahndung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten eines Verbands im Ordnungswidrigkeitengesetz (§ 30 OWiG) geregelt. Einschränkungen bestehen nicht, sodass u.a. Abrechnungsbetrugsdelikte, Aufsichtspflichtverletzungen, fahrlässige Körperverletzungen etc. sanktionsfähig sind.
Verbände in diesem Sinne sind juristische Personen, nicht rechtsfähige Vereine und rechtsfähige Personengesellschaften. Im Gesundheitswesen sind damit Gemeinschaftspraxen/Berufsausübungsgemeinschaften in Form der GbR, Ärzte-Partnerschaften, MVZ und Krankenhäuser schon jetzt betroffen.
Die Straftat oder Ordnungswidrigkeit muss von einer sog. Leitungsperson verübt werden. In Betracht kommen somit alle Personen, die entweder formal, aufgrund ihrer Stellung, oder faktisch Leistungsbefugnisse innehaben, z.B. Geschäftsführer einer GmbH (also z.B. von MVZ, Krankenhäusern, soweit sie als GmbH organisiert sind), aber auch Ärztliche oder Kaufmännische Direktoren und Chefärzte.
Ein Fehlverhalten unterhalb der Leitungsebene kann jedoch auch der Leitungsperson zugerechnet werden, wenn diese es vorsätzlich oder fahrlässig unterlässt, Aufsichtsmaßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um ein solches zu verhindern.
Die Verfolgung eines Verstoßes gegen § 30 OWiG liegt im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde.
Was ändert sich durch das Verbandssanktionengesetz
Das Verbandssanktionengesetz widmet sich der Sanktionierung von Verbandsstraftaten. Ordnungswidrigkeiten werden demnach weiterhin nach § 30 OWiG behandelt.
Der personelle Anwendungsbereich deckt sich mit dem des OWiG. Welche Unternehmen sanktioniert werden, ändert sich also nicht.
Im Gegensatz dazu soll die Sanktion einer Straftat, die von einem Mitarbeiter unterhalb der Leitungsebene in Wahrnehmung der Angelegenheiten des Verbands begangen wurde, jedoch schon dann festgesetzt werden können, wenn die Leitungsperson die Tat durch „angemessene Organisation, Auswahl, Anleitung und Aufsicht“ hätte verhindern oder wesentlich erschweren können. Dies stellt eine deutliche Verschärfung im Vergleich zur gegenwärtigen Gesetzeslage dar.
Auch ohne vorsätzliche oder fahrlässige Aufsichtspflichtverletzung könnte das Verhalten des Mitarbeiters der Leitungsperson zugerechnet werden. Es bedürfte lediglich der objektiven Pflichtverletzung durch Unterlassen erforderlicher Maßnahmen und der objektiven Erkennbarkeit der daraus resultierenden Gefahr. Ob die Leitungsperson auch schuldhaft gehandelt hat, würde dann keine Rolle mehr spielen.
Die starre Zehn-Millionen-Euro-Grenze aus dem OWiG wird bei vorsätzlich begangenen Verbandsstraftaten eines Unternehmens mit einem Jahresumsatz von mehr als 100 Millionen Euro auf bis zu zehn Prozent des jeweiligen durchschnittlichen Jahresumsatzes erhöht (fünf Prozent bei Fahrlässigkeit). Der Wert dieses durchschnittlichen Umsatzes bemisst sich nach dem weltweiten Umsatz des Unternehmens der letzten drei Geschäftsjahre. Darüber hinaus tritt die Abschöpfung eines durch die Straftat erzielten Gewinns noch zusätzlich hinzu. Unternehmen, deren Jahresumsatz unter einhundert Millionen Euro beträgt, droht bei vorsätzlicher Verbandsstraftat – wie gehabt – eine Sanktion i.H.v. bis zu zehn Millionen Euro und bei Fahrlässigkeit i.H.v. bis zu fünf Millionen Euro.
Eine deutliche Reduzierung der Sanktionierung kann erreicht werden, wenn das Unternehmen zur Vermeidung solcher Vorfälle geeignete Compliance-Management-Maßnahmen ergriffen hat. So soll u.a. positiv berücksichtigt werden, dass der betroffene Unternehmen oder ein von ihm beauftragter Dritter wesentlich dazu beigetragen haben, dass die Verbandsstraftat aufgeklärt werden konnte oder ununterbrochen und uneingeschränkt mit den Verfolgungsbehörden zusammenarbeiten.
Eine Sanktionierung kann in Verbindung mit der Auferlegung von Compliance-Maßnahmen auch lediglich vorbehalten werden.
Was den Gesundheitssektor letztlich mit am stärksten treffen dürfte, ist die geplante öffentliche Bekanntmachung einer Sanktionierung, soweit eine große Zahl von durch die Straftat Geschädigten vorliegt. Das Vertrauen der Patienten in die Leistungserbringer im Gesundheitswesen hat einen erheblichen Stellenwert und dürfte nach einer solchen öffentlichen Bekanntmachung womöglich schwer erschüttert sein.
Praxistipps
Unternehmen im Gesundheitswesen aber auch deren Führungskräfte sind bereits jetzt, aber auch von der Ausweitung der Sanktionierungsmöglichkeiten durch das Verbandssanktionengesetz direkt betroffen. Unabhängig von der Schwere der Tat ist eine Verfolgung durch die zuständigen Behörden schon bei einem Anfangsverdacht einzuleiten.
Unabhängig vom geplanten Gesetzesvorhaben aber dann in jedem Fall zwingend ist die Einführung, Weiterentwicklung und Kontrolle vom Compliance-Managements-Systemen. Ein gut funktionierendes QM-System ist hier nur der Anfang. Der Umfang eines Compliance-Management-Systems geht hierüber jedoch deutlich hinaus. Nutzen Sie solche Systeme zur Vermeidung von Regelverstößen. Ist ein solches System etablierter Bestandteil der Unternehmenskultur wirkt sich dies im Falle einer sanktionsfähigen Rechtsverletzung auch strafmildernd aus.
Wir beraten und unterstützen Sie gerne, um die erforderlichen Compliance-Maßnahmen aufzubauen.