In einer aktuellen Entscheidung zeigt das SG München (Urteil vom 24.10.2019 – S 38 KA 240/18) auf, welche zulassungsrechtlichen Folgen ein begangener Abrechnungsbetrug haben kann.

Der Fall

Geklagt hatte ein Arzt, dem der Zulassungsausschuss gemäß § 95 VI SGB V die vertragsärztliche Zulassung entzogen hat. Grundlage hierfür war dessen strafrechtliche Verurteilung wegen Abrechnungsbetruges gemäß § 263 StGB. Diese erfolgte aufgrund der fehlerhaften Abrechnung der im EBM hinterlegten GOP 35100 sowie GOP 35110. In mindestens 70 % der Fälle seien die Leistungen nur teilweise, in der Mehrzahl überhaupt nicht erbracht worden. Insbesondere hatte der Kläger auch solche Gesprächsleistungen abgerechnet, die von seiner Frau erbracht worden waren, obwohl diese nicht über die hierfür erforderliche Genehmigung verfügte. Durch die Täuschung habe der Kläger nach den Ausführungen des Amtsgerichts eine Honorarsumme von mindestens 189.658,03 € erlangt. Der Zulassungsausschuss war der Auffassung, dass das Vertrauen in den Vertragsarzt in solch großem Umfang erschüttert sei, dass die Einleitung eines Disziplinarverfahrens nicht ausreiche. Der im Verfahren vor dem SG München beklagte Berufungsausschuss bestätigte die Entscheidung. Insbesondere wies er darauf hin, dass sich die für den Zulassungsentzug erforderliche Annahme gröblicher Pflichtverletzungen aus dem Strafurteil ergebe. Darüber hinaus spiele es keine Rolle, dass der Kläger in größerem Ausmaß Rückzahlungen geleistet habe.

Die Entscheidung

Das Gericht bejaht das Vorliegen einer gröblichen Pflichtverletzung, die gemäß § 95 VI SGB V den Zulassungsentzug rechtfertigen kann. Davon sei nach ständiger Rechtsprechung auszugehen, „wenn die gesetzliche Ordnung der vertragsärztlichen Versorgung durch das Verhalten des Arztes in erheblichem Maße verletzt wird und das Vertrauensverhältnis zu den vertragsärztlichen Institutionen tiefgreifend und nachhaltig gestört ist, so dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragsarzt nicht mehr zugemutet werden kann“ (SG München, Urteil vom 24.10.2019 – S 38 KA 240/18, Rn. 18). Dies ist der Fall, wenn gegen das Gebot der peinlich genauen Abrechnung in dem vom Kläger ausgeübten Maße verstoßen wird. Zudem sei es zulässig, dass der Berufungsausschuss für die Feststellung einer gröblichen Pflichtverletzung unmittelbar auf den Inhalt des Strafurteils abgestellt hat. Zwar bestünde insofern keine Bindungswirkung. Gleichwohl können Tatsachen aus rechtskräftigen Urteilen verwertet werden, sofern durch den betroffenen Vertragsarzt keine neuen wesentlichen Gesichtspunkte vorgetragen werden oder sich die Tatsachenermittlungen nachträglich nicht als offenkundig fehlerhaft erweisen.

Praxishinweis

Das „Gebot der peinlich genauen Abrechnung“ gehört zu den elementaren Grundpflichten der vertragsärztlichen Versorgung. Kommt es aufgrund einer Verletzung dieser Pflicht sogar zu einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Abrechnungsbetruges, hat der Betroffene auch die außerstrafrechtlichen Konsequenzen zu tragen (hierzu ausführlich Braun, Ad Legendum 2017, 150). Mit diesen kann der Vertragsarzt nach einem durchgeführten Strafverfahren oder bereits – zumindest in den Anfängen – während eines noch laufenden Ermittlungsverfahrens konfrontiert werden. Zu den Konsequenzen kann auch – wie die Entscheidung des SG München verdeutlicht – der Entzug der vertragsärztlichen Zulassung gemäß § 95 VI SGB V gehören. Dieser führt dazu, dass der Arzt nicht mehr an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen und daher auch keine Kassenpatienten mehr behandeln darf. Aufgrund der Schwere dieser Sanktion geht die Rechtsprechung zu Recht davon aus, dass der Zulassungsentzug als Ultima Ratio zu begreifen und nur dann zulässig ist, wenn eine Disziplinarmaßnahme nicht mehr in Betracht kommt (SG Marburg, S 12 KA 179/16).  Je schwerer der Vorwurf  „Abrechnungsbetrug“ wiegt, kann die Approbationsbehörde auf nächster Stufe auch einen möglichen Widerruf der Approbation gemäß § 5 II BÄO prüfen (hierzu ausführlich Braun, GesR 2014, 73 ff.)

Bei Abrechnungsbetrug und daraus resultierenden Strafverfahren sind daher stets die außerstrafrechtlichen Folgen mitzuberücksichtigen und in die Verteidigungsstrategie einzubeziehen. Ärzten, gegen die ein Ermittlungsverfahren wegen Abrechnungsbetruges eröffnet ist, ist daher zu empfehlen, einen auf Medizinstrafrecht spezialisierten Verteidiger zu konsultieren.

RA Dr. Sebastian Braun