Eine aktuelle Entscheidung des BGH (Urt. v. 30.05.2017 – VI ZR 203/16) verdeutlicht das Risiko der Zahnarzthaftung bei Anwendung einer Außenseitermethode.
Der Fall
Der Beklagte warb auf seiner Homepage mit einer ganzheitlichen Methode, die er zur Beseitigung von Störfeldern im Kiefer anwendete. Eine solche Störfeldtestung führte der Beklagte auch bei der Klägerin durch. In der Folge entfernte der Beklagte mehrere Zähne im rechten Oberkiefer und fräste den Kieferknochen aus. Den entsprechend verordneten Zahnersatz setzte er jedoch nicht selbst bei der Klägerin ein. Auch unterblieb eine Anpassung und eine Einweisung in den Umgang mit der Prothese. Die Klägerin hatte in der Folge zunehmend Probleme mit dieser Prothese. Es stellten sich langfristige Schäden ein.
Die Entscheidung
Die Klägerin begehrte die Erstattung des Honorars sowie Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld. In erster Instanz hatte die Klägerin gewonnen. Auch das Berufungsgericht war davon überzeugt, dass eine Haftung des Beklagten zu bejahen sei. Dies sei vorrangig darin begründet, dass der Beklagte das Beschwerdebild nicht ausreichend abgeklärt habe. Insofern könne die angewandte alternative Heilmethode allein nicht genügen, um die Entfernung der Zähne zu begründen.
Nach Ansicht des BGH reichen die bisherigen Feststellungen jedoch nicht aus, um von einer Haftung des Arztes auszugehen. Insbesondere ist die Anwendung einer Außenseitermethode erlaubt. Dies lässt sich u.a. damit begründen, dass der Patient selbst entscheiden kann, in welche Behandlung er einwilligt, solang diese nicht gegen die guten Sitten verstößt. Daher dürfe von einem Abweichen von der Schuldmedizin nicht automatisch auf das Vorliegen eines Behandlungsfehlers geschlossen werden.
Jedoch stellt der Senat klar, dass die Anwendung einer Außenseitermethode eine sorgfältige Abwägung aller medizinischen Vor- und Nachteile voraussetzt. Dabei darf die Schuldmedizin nicht außer Acht gelassen werden. Je schwerer der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Patienten ist, desto höher sind die Anforderungen an die medizinische Vertretbarkeit der angewandten Methode.
Praxistipp
Die Entscheidung stellt klar, dass auch Zahnärzte eine Außenseitermethode anwenden dürfen. Allerdings muss eine umfassende Abwägung vorausgehen. Ferner muss der Patient vollständig über die alternative Methode sowie weitere schulmedizinische Optionen aufgeklärt werden. Ist die geplante Behandlungsweise in der medizinischen Fachwelt umstritten, ist auch dies dem Patienten zu offenbaren. Sowohl der Abwägungsprozess als auch die vorgenommene Aufklärung sind zu Beweiszwecken zwingend zu dokumentieren.
RA Dr. Sebastian Braun