Das Thüringer OLG hat in seiner Entscheidung vom 29.05.2012 (Az.: 4 U 549/11) klargestellt, inwieweit ein Patient einen Zahnarzt zunächst zur Nachbesserung auffordern muss, bevor er anschließend Schadenersatz und Schmerzensgeld von ihm wegen Behandlungsfehlern verlangt.

Der Fall

Die privatversicherte Patientin hat sich seit dem Jahr 2000 bis zum 08.12.2006 beim Zahnarzt in ambulanter Behandlung befunden. Der Zahnarzt hat die Zähne 26 und 37 mit einem neuen Zahnersatz versorgt. Nach dem 08.12.2006 erschien die Patientin nicht mehr beim Zahnarzt. Zwei Monate später wurde von den nachbehandelnden Ärzten an den Zähnen 36 und 27 jeweils Sekundärkaries festgestellt, weshalb die Patientin insgesamt ein Jahr zahnärztlich behandelt worden ist.

Die Entscheidung

Das OLG hat ein Nachbesserungsrecht im vorliegenden Fall verneint.

Die Patientin rügte Fehler bei der Vorbereitung der technischen Leistung im Sinne einer unterlassenen Befunderhebung. Für diese dem Dienstvertragsrecht unterfallende Fallgruppe sei ein Nacherfüllungsverlangen per se verfehlt. Darüber hinaus war die Behandlung durch den beklagten Zahnarzt aufgrund einer zumindest konkludenten Kündigung des Behandlungsvertrages durch die Patientin (Nichtwahrnehmung weiterer Behandlungsangebote) beendet. In diesem Falle enden die vertraglichen Hauptpflichten. Der behandelnde Arzt seinerseits habe keinen Anspruch darauf, dass ihm Gelegenheit zur Nachbesserung seiner ärztlichen Leistung gegeben werde.

Grundsätzlich muss im Arzthaftungsrecht – nach fehlerhafter Behandlung – der Patient den Arzt nicht zur Nacherfüllung auffordern, wenn er anschließend Schadensersatz und Schmerzensgeld von dem behandelnden Arzt wegen dessen Behandlungsfehler verlangt.

Der Eigenart des Arzt-Patienten-Verhältnisses widerspräche es, wenn der Patient nach fehlerhafter Behandlung Nacherfüllung verlangen müsste. Ferner normiert das Gesetz weder für einen „einfachen“ Schadenersatzanspruch nach § 280 Abs.1 BGB, noch für einen Schmerzensgeldanspruch nach § 253 Abs. 2 BGB die Notwendigkeit eines Nacherfüllungsverlangens, so dass dessen Fehlen die Entstehung des Anspruchs nicht hindert.

Das gesetzliche Erfordernis eines Nacherfüllungsverlangens aus § 281 BGB kann nur für solche Schadensersatzpositionen relevant werden, die dem „Schadensersatz statt Erfüllung“ zuzurechnen sind. Dies sind beispielsweise Nachbehandlungskosten für eine wegen des Behandlungsfehlers notwendig gewordene Nachbehandlung.

Praxistipp

Das OLG Thüringen gibt dem Patienten weitreichende Rechte bei der Entscheidung, den behandelnden Zahnarzt zu wechseln. Diese weitreichende Freiheit ist dann eingeschränkt, wenn es um Behandlungsformen in der Prothetik geht. Diese Bereiche sind werkvertragliche geprägt, so dass hier dem Behandler sehr wohl das Recht zusteht, Nachbesserungsarbeiten durchzuführen.

Der Zahnarzt hat das Recht zur zweimaligen Nachbesserung (z.B. OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 06.01.2009 Az. 8 U 31/07) und er sollte genau dokumentieren, was in welchem Termin getan wurde, um nachzuweisen, ob die Nachbesserung bereits erfolgt ist, oder ob etwa andere Zähne behandelt worden sind, um sich gegen eine zu frühzeitige Inanspruchnahme durch den Patienten zu wehren.

Update!

In einer neueren Entscheidung des OLG Dresden wurde dem Zahnarzt ein Nachbesserungsrecht zugesprochen. Wir haben diese Entscheidung unter folgendem Link kommentiert: OLG Dresden, Beschluss vom 06.12.2016 (Az: 4 U 1119/16)