Die Versorgung von Tieren mit homöopathischen Arzneimitteln stößt in der Praxis oft an ihre Grenzen, vor allem wenn sich der Anwender auf Darreichungsformen beschränkt, die ausschließlich der Tiermedizin entstammen. Folge ist, dass auch auf Humanhomöopathika iSd § 4 Nr. 26 AMG zurückgegriffen wird. Bis zum 27. Januar 2022 stand die Möglichkeit der Anwendung homöopathischer, nicht verschreibungspflichtiger Arzneimitteln nicht nur Tierärztinnen und Tierärzten offen, sondern vor allem auch Tierhaltern sowie Tierheilpraktikern. Mit Einführung des TAMG wurde diese Möglichkeit abgeschafft. § 50 Abs. 2 stellt u.a. die Verabreichung auch nicht verschreibungspflichtiger homöopathischer Arzneien unter den Tierarztvorbehalt. Dies stehe jedoch im Widerspruch zum Grundgesetz, so das Bundesverfassungsgericht.
Der Fall
Mit Erfolg wehrte sich u.a. eine Tierheilpraktikerin und gleichzeitige Tierhalterin gegen die gesetzliche Neuerung zum Tierarztvorbehalt. In ihrer Verfassungsbeschwerde schildert sie, dass sie aufgrund der nunmehrigen Regelung in ihrer Berufsausübung sowie allgemeiner Handlungsfreiheit erheblich eingeschränkt sei. Als Tierheilpraktikerin versorgt sie ihre Patienten sowie eigenen Tiere insbesondere mit klassischen Homöopathika aus der Humanmedizin. Soweit diese Versorgung nur noch mit vorheriger Verschreibung durch einen Tierarzt/ einer Tierärztin möglich sei, läge ein unverhältnismäßiger Verstoß gegen Art. 12 GG bzw. Art. 2 GG vor.
Die Entscheidung
Mit Beschluss vom 29. September 2022 gab das Bundesverfassungsgericht den Beschwerdeführerinnen recht. Zwar ist von einem legitimen Zweck der Regelung auszugehen, der darin liege, die Qualität von Diagnostik und Therapie bei Tierheilbehandlungen zu sichern. Im engeren Sinn verhältnismäßig sei sie allerdings nicht. Das Gericht wog dabei die widerstrebenden Interessen der durch Art. 20a GG geschützten Tierwohlbelange auf der einen sowie die Berufsausübung- und allgemeine Handlungsfreiheit auf der anderen Seite gegeneinander ab. Erstgenannte seien hierbei nicht erheblich beeinträchtigt, da der Gesetzgeber auch anderweitige Gefährdungen bei der Tierheilbehandlung gleichsam hinnehme. Die Versorgung mittels Humanhomöopathika stelle insoweit keine Besonderheit dar, da insbesondere die Anwendung von Tierhomöopathika gerade keinem Tierarztvorbehalt unterstellt wurde. Auch lägen nur wenige empirische Erkenntnisse dahingehend vor, dass nicht verschreibungspflichtige Humanhomöopathika überhaupt zu einer Tierwohlgefährdung führen können. Auf der anderen Seite wiegen die Beeinträchtigungen der Beschwerdeführerinnen deutlich schwerer, so das BVerfG. Diese seien aufgrund der überwiegenden Verwendung von Humanhomöopathika im Praxisalltag durch § 50 Abs. 2 TAMG massiv in der beruflichen Tätigkeit eingeschränkt. Selbst die allgemeine Handlungsfreiheit eines Tierhalters sei in dieser Fallkonstellation höher anzusetzen.
Gleichwohl weist das Gericht darauf hin, dass ein Nachweis theoretischer Kenntnisse in der Tierheilkunde bestehende Gefahren für Tier- und damit Allgemeinwohl vermindern könnte.
Praxishinweis
Durch die Einführung des Tierarzneimittelgesetzes kam es teilweise zu weitreichenden und nicht unumstrittenen Neuerungen. Eine davon wurde nunmehr bereits durch das oberste nationale Gericht gekippt. Für den Praxisalltag von Tierheilpraktikern ist diese Entscheidung elementar, da existenzsichernd. Für den ungeübten Rechtsanwender des TAMG führen die bereits jetzt offensichtlichen Fehlerhaftigkeiten des noch jungen Gesetzes leider zu einer zusätzlichen Verunsicherung.
RAin Lucia Kretschmer