Die Thematik „Pauschalziffer“ spielt in Plausibilitätsprüfungen regelmäßig eine Rolle. In der vertragsärztlichen Abrechnung stellt man für die Bildung der im Rahmen der Plausibilitätsprüfung maßgeblichen Tages- und Quartalsprofile auf den sog. Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) ab. Der EBM bestimmt den Inhalt der in der vertragsärztlichen Versorgung abrechenbaren Leistungen und versieht diese mit einem konkreten Zeitaufwand, der sog. Prüfzeit. Hierbei handelt es sich um – im Wesentlichen – pauschal angeordnete Zeitvolumen, die zum Ausdruck bringen sollen, wie lange jeder Arzt für eine konkrete Leistung durchschnittlich benötigt bzw. zu benötigen habe.
Problemfall Pauschalziffern?
Gerade solche Praxen, die einen enorm hohen Patientenzulauf zu verzeichnen haben, stehen besonders in dem Risiko, die vorgegebene Quartalsgrenze zu überschreiten.
Maßgeblich hierfür ist bereits der Ansatz einer Pauschalziffer, wie z.B. Grundpauschalen, die je nach Fachgruppe unterschiedlich ausgestaltet sind. So besteht z. B. hinsichtlich der hausärztlichen Versichertenpauschalen die Besonderheit, dass der Vertragsarzt nach den Vorgaben des EBM lediglich die Versichertenpauschale nach GOP 03000 zum Ansatz bringen kann.
Die Alterszuordnung und die damit verbundene Bewertung der Leistung nimmt die KV mittels der Vergabe von Pseudoziffern vor. Diese gehen jedoch alle mit unterschiedlichen Zeiten ins Quartalsprofil ein und „füllen“ bereits durch ihren bloßen Ansatz die Quartalsvolumina des Vertragsarztes.
Die Folge ist, dass allein diese – und sozusagen nahezu automatisch – dafür sorgen können, dass eine Praxis das zulässige Zeitprofil überschreitet und damit in die Prüfung gelangt.
Was ist jetzt neu?
Eine aktuelle Entscheidung des SG Dresden (Urt. v. 07.09.2022 – S 25 KA 173/17) schiebt diesem Automatismus – zumindest im Ansatz – den Riegel vor. Nach Auffassung des Gerichts darf der Nachweis der Unrichtigkeit der Abrechnung in Form der Überschreitung der zulässigen Zeitprofile nicht a l l e i n auf den Ansatz von Grundpauschalen zurückgeführt werden. Am Beispiel einer im konkreten Fall klagenden Neurologin stellte das SG darauf ab, dass die Prüfzeiten für die nervenärztlichen Grund- und Mitbetreuungspauschalen nicht in einem transparenten Verfahren und auf Basis einer verlässlichen Datengrundlage zustande gekommen sind.
Was ist die Folge?
Wendet man die Entscheidung konsequent an, dürfte im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung die Überschreitung des Quartalszeitprofile nicht mehr ausschließlich auf die Pauschalziffer bzw. Grundpauschalen zurückgeführt werden, wenn der damit unterstellte Zeitaufwand nicht transparent begründbar ist. Ärzte, die von einer solchen Verfahrensweise betroffen sind, erhalten auf diese Weise eine zusätzliche Argumentationslinie. Es bleibt abzuwarten, ob die Entscheidung des SG Dresden hält; aktuell ist die Berufung beim LSG Chemnitz anhängig.
Gleichwohl zeigt das Urteil jedoch, dass hier eine entsprechende Diskussionsgrundlage – auch außerhalb von Sachsen – besteht. Dies ist im Einzelfall zu prüfen. Dabei unterstützen wir Sie gerne.
RA Dr. Sebastian Braun