Das LG München I hat am 16.04.2019 (33 O 6880/18) zu der Frage entschieden, unter welchen Umständen (Zahn)Ärzte einen Anspruch auf Wiederveröffentlichung positiver Bewertungen gegenüber einem Bewertungsportal geltend machen können.
Das Problem
Geklagt hatte ein Zahnarzt, der auf die Behandlung der Craniomandibulären Dysfunktion (CMD) spezialisiert und dafür über die Grenzen des Bundesgebietes hinaus bekannt ist. Es ist daher bei seinen Patienten üblich, dass sie sich vor der Behandlung intensiv im Internet über die Praxis informieren. Demnach legt der Kläger großen Wert auf eine positive Online-Darstellung. Aus dem Grund verfügte er auch über das Premium-Paket-Gold bei einem großen ärztlichen Bewertungsportal. Bis zum Ende des Jahres 2017 waren auf diesem über 60 positive Bewertungen des Klägers einsehbar.
Anfang 2018 kündigte der Kläger das Premium-Paket. In der Folge löschte das Bewertungsportal 10 positive Bewertungen, was zu einer Verschlechterung der Gesamtbewertung des Klägers führte. Das Portal begründete dies mit Problemen bei der Validierung dieser positiven Inhalte. Zuvor standen die Bewertungen jedoch 2 Jahre beanstandungsfrei online.
Der Kläger sah darin eine „Revanche“ für die erfolgte Kündigung und verlangte die Wiederveröffentlichung der positiven Bewertungen. Die Beklagte begründete die Löschung mit einem sich weiter entwickelten Prüfalgorithmus, der die Authentizität eingestellter Bewertungen prüft und im Fall des Klägers ein Problem angezeigt habe. Zudem seien auch bereits in der Vergangenheit positive Bewertungen des Klägers gelöscht worden.
Die Entscheidung
Das LG München I wies die Klage ab. Dem Zahnarzt war es nicht gelungen, den Zusammenhang zwischen seiner Kündigung und der erfolgten Löschung der positiven Bewertungen zu substantiieren. Demzufolge verneinte das Gericht einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Arztes. Schließlich hatte der Arzt nicht beweisen können, dass die Löschung der Bewertungen unmittelbar auf eine Beeinträchtigung des ärztlichen Betriebes abzielen sollte. Der bestehende zeitliche Zusammenhang reiche dafür nicht aus (Rn. 35).
Zudem gelten auch in der vorliegenden Konstellation die Grundsätze der BGH-Rechtsprechung zur Abwehr negativer Bewertungen. Eine solche habe der Arzt zunächst konkret zu rügen, bevor das Portal eine weitere Prüfpflicht trifft (BGH, Urt. v. 1.3.2016 – VI ZR 34/15). Darlegungs- und beweisbelastet für die Unrichtigkeit der Bewertung sei demnach der klagende Arzt, das Bewertungsportal treffe allerdings eine sekundäre Darlegungslast (hierzu auch Braun, KH-J 2019, 43).
Daher hätte der Zahnarzt auch hier zunächst konkret darlegen müssen, dass die den Bewertungen zugrunde liegenden Behandlungsverhältnisse tatsächlich existiert haben und zu diesen ggf. anonymisiert vortragen müssen. Insofern führt das LG München I aus 8Rn. 38):
„Denn die … Bewertungen enthalten eine Reihe von Anhaltspunkten wie den Bewertungszeitpunkt, den Versicherungsstatus, teils auch den Wohnort, eine ungefähre Altersangabe oder Ausführungen zur Krankheitsgeschichte, anhand derer der Kl. die Person des Bewertenden feststellen oder zumindest eingrenzen hätte können.“
Bewertung
Erneut hat sich die Rechtsprechung mit Streitigkeiten im Rahmen der Bewertungsportale auseinandersetzen müssen. Interessant an der Entscheidung ist der vorgenommene Perspektivwechsel: Während es üblicherweise um die Löschung negativer Bewertungen geht, stand nun die Wiederveröffentlichung positiver Bewertungen im Raum.
Die Entscheidung des LG München I ist zum einen konsequent. Es ist zutreffend, dass aus rechtlicher Perspektive kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Kündigung eines Premium-Accounts und dem Inhalt der Bewertungen hergestellt werden kann. Der BGH hatte mit seiner Grundsatz-Entscheidung vom 20.02.2018 (VI ZR 30/17) klargestellt, dass Bewertungsportale dem Neutralitätsgebot verpflichtet sind. Demzufolge weist z. B. Jameda in seinen FAQ ausdrücklich darauf hin, dass die Buchung des Premium-Paketes lediglich dazu dient, mehr Informationen über sich auf dem Bewertungsportal zu veröffentlichen, um damit z. B. die Trefferquote bei Suchanfragen zu erhöhen. Der Kunde eines Premium-Accounts soll gerade keinen Einfluss auf den Inhalt oder das Ranking der abgegebenen Bewertungen nehmen können. Daraus folgt die Möglichkeit der Portale, Bewertungen zu löschen, sofern dies im Einzelfall konkret begründbar ist und nicht aus willkürlichen Aspekten heraus geschieht.
Zum anderen überzeugt jedoch die Passage der Entscheidung nicht, wonach der Kläger umfassend zum tatsächlichen Behandlungsverhältnis hätte vortragen sollen. Zwar betont das Gericht, dass dies ggf. anonymisiert erfolgen müsse, gleichzeitig jedoch eine Feststellung der konkreten Person des Bewertenden möglich sein solle, um die Authentizität der Bewertung zu untermauern. Setzt man letzteres konsequent um, resultiert daraus eine Offenbarung der Namen potenzieller Bewerter gegenüber Portal oder Gericht (vgl. auch Warmuth, MMR 2019, 478).
Ob dies aber in der geforderten Absolutheit zutreffend ist, muss aufgrund des Datenschutzrechts und der strafbewehrten ärztlichen Schweigepflicht kritisch hinterfragt und für jeden Einzelfall gesondert geprüft werden. Zwar ist anerkannt, dass die ärztliche Schweigepflicht bei der Durchsetzung eigener Ansprüche unter Umständen überwunden werden kann, wie z. B. bei der gerichtlichen Durchsetzung von Honoraransprüchen oder der Abwehr eines Behandlungsfehlervorwurfes. Allerdings ist dies nur sehr restriktiv zu handhaben und sollte nicht pauschal auf den Anspruch auf Wiederveröffentlichung von Internetbewertungen übertragen werden. Denn schlägt man dem Portal eine Auswahl an Patienten als Urheber für eine konkrete Bewertung vor, so werden mindestens die Namen, die sich im Ergebnis nicht als Urheber der Bewertung herausstellen, zu Unrecht preisgegeben.
Praxistipp
Um gegen die Löschung positiver Bewertungen vorzugehen, müssen (Zahn)Ärzte künftig konkret darstellen, wieso die gelöschte Bewertung authentisch ist und hierfür ggf. auch Details aus dem Behandlungsverhältnis vortragen. Dies gilt jedoch nur, wenn eine absolut anonymisierte Schilderung möglich ist. Anderenfalls sollte die Offenbarung einer Vielzahl möglicher Patientennamen unterbleiben, da insofern die ärztliche Schweigepflicht regelmäßig verletzt sein dürfte. Um die Grenzen des Einzelfalls auszuloten, sollte man sich anwaltlich beraten lassen.
Bei der Abwehr negativer Bewertungen gilt weiterhin, dass die Löschung von Schmähkritiken bzw. unwahrer Tatsachenbehauptungen erreicht werden kann. Auch hierbei unterstützen wir Sie gerne.
RA Dr. Sebastian Braun