Erneut sind anonyme Bewertungen im Internet Gegenstand der Rechtsprechung gewesen. Nicht selten bestehen bei den Betroffenen Zweifel daran, dass sie den bewertenden Patienten jemals behandelt haben. In dem Kontext hat das LG Braunschweig mit seinem Urteil vom 28.11.2018 (9 O 2616/17 (396) die Sorgfaltspflichten von Arztbewertungsportalen weiter konkretisiert.

Das Problem

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall wandte sich der Arzt gegen eine über ihn veröffentlichte Bewertung auf einem Bewertungsportal. Diese beinhaltete sowohl unwahre Tatsachenbehauptungen als auch Negativbenotungen. Der Kläger bezweifelte, den ihn bewertenden Patienten jemals behandelt zu haben. Nachdem das Portal die Stellungnahme des Arztes an den anonymen Bewerter weitergeleitet hatte, legte dieser eine Beschreibung vor, wie die Praxis des Arztes zu erreichen sei. Zudem benannte er einen vermeintlichen Behandlungszeitraum von 3 Monaten. Diese Informationen waren nach Ansicht des Arztes nicht ausreichend, um ein tatsächlich vorliegendes Behandlungsverhältnis nachzuweisen. Zudem konnte er darlegen, dass er in dem in der Bewertung angegeben Zeitraum überhaupt nicht in der Praxis tätig war. Nach mehrfachen Prüfungen – im Rahmen derer Teile der Bewertung durch das Bewertungsportal entfernt wurden – entschloss sich dieses zur Wiederveröffentlichung der gesamten Bewertung.

Die Entscheidung

Das LG Braunschweig bestätigt den Löschungsanspruch des Arztes. Das Gericht geht davon aus, dass das Bewertungsportal seiner ihm obliegenden Prüfpflicht, ob der streitgegenständlichen Bewertung ein Behandlungskontakt zugrunde lag, nicht ausreichend nachgekommen sei. Das Arztbewertungsportal sei verpflichtet, umfassende Erkundigungen über den behaupteten Behandlungskontakt einzuholen. Zu diesem Zweck muss der Bewerter dazu aufgefordert werden, den Behandlungskontakt genau zu beschreiben und Belege zu übermitteln. Hierbei sei es nicht ausreichend, sich ausschließlich auf die Angaben des Bewerters über den Praxisstandort zu verlassen, da diese Information z.B. über das Internet jedermann und damit nicht nur Patienten des Arztes zur Verfügung stehen. Stattdessen sei von gesetzlich versicherten Patienten zu verlangen, eine Versichertenauskunft von deren Krankenkasse einzuholen. Da dies seitens des Bewertungsportals unterlassen wurde, bejahte das Gericht eine Sorgfaltspflichtverletzung vor und ordnete die Löschung an.

Praxistipp

Die Entscheidung des LG Braunschweig orientiert sich an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Dieser hat in seiner Entscheidung vom 01.03.2016 (VI ZR 34/15 -Ärztebewertungsportal III) klargestellt, dass Bewertungen, bei denen der behauptete Patientenkontakt überhaupt nicht stattgefunden hat, rechtswidrig in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arztes eingreifen und dessen Ehre und soziale Anerkennung beeinträchtigen. Zwar ist das Bewertungsportal grundsätzlich nicht verpflichtet, die online gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Sobald aber ein Betroffener das Portal auf eine Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts durch einen Bewerter hinweist, muss das Bewertungsportal eine Prüfung durchführen. Bei angezweifelten Patientenkontakten bedeutet dies, dass sich das Portal die Behandlung durch objektive Beweismittel, wie z.B. Rechnungen, Rezepte oder Ähnliches nachweisen lassen muss (BGH, Urt. v. 01.03.2016 – VI ZR 34/15 – Rn. 43).

Das LG Braunschweig setzt diese Rechtsprechung konsequent fort und entwickelt sie weiter. Insbesondere im hausärztlichen Bereich ist aufgrund der Fülle von Patienten die Inanspruchnahme einer Kassenauskunft ein probates Mittel, um den tatsächlichen Behandlungskontakt nachweisen zu können. Dies trägt zum Schutz der Ärzte bei, die sich aufgrund hoher Patientenzahlen nicht an jeden Patienten erinnern können, wenn der Name des Bewerters anonym bleibt.

Das Urteil verdeutlicht die fortschreitende Sensibilisierung im Umgang mit Online Bewertungen. Bereits 2018 hatte das LG Lübeck für 1-Sterne-Bewertungen auf Google, die ohne Textkommentar abgegeben wurden, einen Löschungsanspruch des Arztes anerkannt. Aufgrund des fehlenden Textes mangele es schließlich an einem inhaltlichen Anknüpfungspunkt für die Bewertung. Zudem kann eine solche auch von jemandem abgegeben werden, der zu keinem Zeitpunkt Patient der Praxis war.

Die Entscheidung des LG Braunschweig zeigt, dass unzulässige Bewertungen im Internet nicht hingenommen werden müssen. In jedem Einzelfall ist zu prüfen, ob der veröffentlichte Text eine zulässige Meinungsäußerung oder löschungsfähige Schmähkritik bzw. unwahre Tatsachenbehauptung darstellt. Hierbei stehen wir Ihnen gerne beratend zur Seite.

RA Dr. Sebastian Braun