Das LSG Thüringen hat in seiner Entscheidung vom 06.06.2018 – L 11 KA 1312/1 – bestätigt, dass Ärzte die Zuweisung von Patienten durch die KV nicht dulden müssen.
Das Urteil
In dem zu entscheidenden Fall hatte die KV Thüringen einem Augenarzt mehrere Patienten zur Behandlung zugewiesen. Auslöser der Zuweisung war, dass die betroffenen Patienten über einen längeren Zeitraum keinen Termin in einer Facharztpraxis erhalten hatten. Daher erfolgte eine verbindliche Zuweisung, um die Behandlung zu realisieren.
Bereits in der ersten Instanz hatte der klagende Augenarzt Erfolg vor dem SG Gotha, das eine Zuweisung von Patienten durch die KV als unzulässig erachtete. Dafür fehle es an einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage im SGB V bzw. in der Satzung der KV . Diese Ansicht ist mit dem Urteil des LSG Thüringen bestätigt worden.
Grundsätzlich haben die Kassenärztlichen Vereinigungen das Recht, durch Hoheitsakt ihre Aufgaben wahrzunehmen. Hierzu gehört jeder Erlass eines Bescheides, z.B. zur Honorarverteilung oder sachlich-rechnerischen Richtigstellung. Jedoch ist das Vorliegen einer Ermächtigungsgrundlage die Grundvoraussetzung für den Erlass eines Verwaltungsaktes. Fehlt es an einer solchen, ist der Verwaltungsakt rechtswidrig. Jedoch mangelt es für die Zuweisung von Patienten gerade an einer Ermächtigungsnorm.
Eine solche lässt sich auch nicht aus § 75 Abs. 2 S. 2 SGB V herleiten. Danach können die Kassenärztlichen Vereinigungen die Vertragsärzte mittels Disziplinarmaßnahmen zur Erfüllung ihrer vertragsärztlichen Pflichten anhalten. Zwar ist die Behandlung der in der GKV versicherten Patienten eine solche Pflicht. Allerdings kann diese zum einen nur im Rahmen der möglichen Kapazitäten erfüllt werden und zum anderen ist die direkte Zuweisung von Patienten keine anerkannte Disziplinarmaßnahme im Sinne der §§ 75 Abs. 2 S. 2, 81 Abs. 5 SGB V.
Die Entscheidung des LSG Thüringen verdient daher Zustimmung.
Praxistipp
Die Entscheidung hat für die Ärzteschaft zwei Folgen:
Erstens sollten Ärzte prüfen, ob das Maß der versorgbaren Patienten bereits überschritten ist. Wenn dem so ist, kann die Behandlung von Patienten auch abgelehnt werden, sofern kein Notfall vorliegt. Es empfiehlt sich, dem Patienten die Gründe für die Ablehnung transparent zu erläutern. Achten Sie hier besonders auf die richtige Kommunikation. Gelingt es Ihnen nicht, dem Patienten Ihre Ablehnung verständlich zu erläutern, steht zu befürchten, dass sich der Patient in Bewertungsportalen negativ über Sie äußert. Hier gilt es also, das nötige Fingerspitzengefühl zu entwickeln.
Zweitens müssen Ärzte Zuweisungen von Patienten durch die KV nicht mehr dulden. Zwar ist stets im Einzelfall zu prüfen, ob eine Grundlage womöglich in der jeweils geltenden KV-Satzung zu finden ist. Dies dürfte jedoch in der Regel nicht der Fall sein. Erhalten Ärzte daher künftig einen Zuweisungsbescheid, sollten mit Hilfe rechtlicher Beratung die Erfolgsaussichten eines Widerspruchs geprüft werden.
RA Dr. Sebastian Braun