Bei der Behandlung von gesetzlich Versicherten unterliegen Ärzte zahlreichen Verpflichtungen. Zum einen muss die Behandlung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich im Sinne des Vertragsarztrechtes sein. Zum anderen muss der Arzt unter Haftungsgesichtspunkten dem Patienten eine Behandlung anbieten, die den Grundsätzen der ärztlichen Kunst entspricht. Diese beiden Bereiche driften mehr und mehr auseinander. Versteht man das „ausreichend“ in der vertragsärztlichen Versorgung als Schulnote 4 und verlangt man vom Arzt im Bereich des Haftungsrechts zumindest einen guten Standard im Sinne einer 2, befindet sich der Arzt in einem Dilemma.

Nicht erst seit dem Patientenrechtegesetz ist der Arzt verpflichtet, den Patienten zumindest über zuzahlungspflichtige Behandlungsalternativen und insbesondere Vorsorgeuntersuchungen aufzuklären, ihm also die Entscheidung zu überlassen, welche der Behandlungsalternativen der Patient wählt, die über die vertragsärztliche Versorgung hinausgehen. In einer aktuellen Entscheidung stellt das Oberlandesgericht Hamm (Urteil vom 12. August 2013, Aktenzeichen 3 U 57/13) dar, was dies in der Praxis bedeutet:

Der Fall:

Eine Patientin war in gynäkologischer Behandlung. Im Prozess konnte die Patientin glaubhaft machen, dass ihr die Minimierung jedweden Brustkrebsrisikos wichtig war. Der behandelnde Arzt hatte im Jahr 2008 bei einer durchgeführten Krebsvorsorgeuntersuchung nicht zu einem Mammographiescreening geraten und zudem ein Medikament verordnet, das geeignet war, das Brustkrebsrisiko zu erhöhen.

Die Entscheidung:

Das Gericht erklärte, dass in der unterlassenen Beratung über diese Vorsorgeuntersuchung im vorliegenden Fall sogar ein grober Behandlungsfehler zu sehen ist, der zu einer Beweislastumkehr führt und der Arzt beweisen muss, dass er keinen Fehler gemacht hat.

Nach Befragung eines Sachverständigen stand für den Senat fest, dass die Mammographieuntersuchung im Jahr 2008 bereits seit mehreren Jahren fest implementiert war und die einzig sichere Methode zur Senkung des Mortalitätsrisikos bei Brustkrebserkrankungen gewesen ist. Auch die entsprechende Leitlinie enthielt eine Verpflichtung für den Arzt.

Praxistipp:

Im Ergebnis ist Ärzten dringend zu raten, auch gesetzlich versicherten Patienten das gesamte Spektrum der medizinischen Möglichkeiten darzustellen und entsprechend zu dokumentieren, für welche Behandlungsmaßnahmen der Patient sich entscheidet. Anderenfalls wird es im Zuge der zu erwartenden weiteren Verschärfung des Haftungsrechts nicht möglich sein, entsprechenden Schaden abzuwenden. Die Entscheidung weißt auch den Weg für andere Vorsorgeuntersuchungen in anderen medizinischen Fachbereichen, beispielsweise PSA-Tests u.a.

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