Eine jüngere Entscheidung des OLG Hamm vom 26.04.2016 (Az. 26 U 116/14) zeigt, dass Zahnärzte einem Haftungsrisiko ausgesetzt sein können, wenn sie den ausdrücklichen Patientenwunsch unreflektiert ausführen.

Der Fall

Eine Patientin begehrte von ihrem Zahnarzt die vollständige Sanierung der Vorderzähne. Im Rahmen der Behandlungsvorbereitung diagnostizierte er eine Störung der Kiefergelenke in Form einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD). Nach Ansicht des Zahnarztes wäre es medizinisch notwendig gewesen, zunächst eine Aufbissschienentherapie durchzuführen, dann die Seitenzähne zu stabilisieren und erst im Anschluss daran die Frontzähne zu restaurieren. Diesen Ablauf lehnte die Patienten jedoch ab. Sie verlangte ausdrücklich, dass die Frontzähne ohne vorherige Behandlung der CMD saniert werden sollen. Der beklagte Zahnarzt beugte sich diesem Wunsch. In der Folge erlitt die Klägerin jedoch eine Kompression der Kiefergelenke. Zudem stellte sich eine zu niedrige Bisshöhe ein.

Die Entscheidung

Das OLG bejaht einen Schadensersatzanspruch der Patientin, da der Zahnarzt einen Behandlungsfehler begangen habe. Das Gericht führt aus, dass der Beklagte zunächst die diagnostizierte CMD mittels der von ihm beabsichtigten Aufbissschienentherapie hätte behandeln müssen. Da er dies nicht getan hat, liegt ein Behandlungsfehler vor.

Maßgeblich ist nun, dass auch der seitens der Patienten geäußerte Wunsch den Zahnarzt nicht entlastet. Nach Auffassung des Senates ändere dieser nichts daran, dass das verlangte Vorgehen gegen den medizinischen Standard verstoßen habe und deshalb hätte abgelehnt werden müssen. Insofern könne das Selbstbestimmungsrecht der Patientin einen begangenen Behandlungsfehler nicht aufwiegen.

Überdies sei auch nicht hinreichend dargelegt worden, dass die Klägerin eindringlich auf die konkret drohenden Folgen, insbesondere die dauerhaften Beeinträchtigungen und Auswirkungen einer perpetuierten CMD, hingewiesen worden sei. Jedoch würde selbst eine solche umfassende Aufklärung kein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen rechtfertigen.

Praxistipp

Wie die Entscheidung verdeutlicht, kann es mitunter schwierig sein, Patientenwunsch und geltenden ärztlichen Standard zu vereinbaren. Für alle Mediziner muss vor diesem Hintergrund klar sein, dass die eigene medizinische Einschätzung maßgeblich ist. Sie darf sich einem Patientenwunsch, der medizinisch indizierten Standards erkennbar widerspricht, nicht unterordnen. Um Konflikte zu vermeiden, sollte dies dem Patienten im Einzelfall auch erläutert werden.