Der BGH hat in einer aktuellen Entscheidung (Urt. v. 10.05.2016 – VI ZR 247/15) die Grundsätze der Beweislastumkehr bei Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers auch auf die Tierarzthaftung übertragen.

Der Fall:

Betroffen war ein Veterinär, der ein Pferd mit einer Beinverletzung behandelt hatte. Diese war durch den Schlag einer Stute verursacht worden, wobei es zu einer – zunächst unerkannten – Fissur des Beinknochens kam. Nachdem die ärztliche Behandlung stattgefunden hatte, wurde das Pferd erneut ausgeritten und erlitt eine Fraktur der Tibia. Da diese operativ nicht entfernt werden konnte, musste das Pferd eingeschläfert werden. Der Arzt sah sich nun dem Vorwurf eines groben Behandlungsfehlers ausgesetzt, dass er eine Lahmheits- und Röntgenuntersuchung nicht durchgeführt und daher die Fissur nicht erkannt hatte.

Die Beweislastumkehr:

Der 6. Zivilsenat hat einen Schadensersatzanspruch aus dem vorliegenden tierärztlichen Behandlungsvertrag bejaht und einen groben Behandlungsfehler des Veterinärs bei der Befunderhebung angenommen. Darüber hinaus hat der BGH klargestellt, dass vorliegend eine Umkehr der objektiven Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden zu Lasten des Tierarztes eingetreten ist. Diese Form der Beweislastumkehr ist durch die Rechtsprechung für den Bereich der Humanmedizin bereits seit langer Zeit anerkannt und wurde 2013 auch in § 630 h V BGB kodifiziert. Auf diese Art und Weise soll ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass durch den Behandlungsfehler eine Vielzahl neuer Möglichkeiten für die eingetretene Verletzung geschaffen worden sind und dem Patienten der Nachweis der Kausalität aufgrund der damit verbunden Aufklärungsschwierigkeiten nicht zuzumuten ist (BGH, NJW 2016, 2503; Koch, NJW 2016, 2462).

Gleichstellung der Tierarzthaftung zur Arzthaftung:

In der Rechtsprechung verschiedener Oberlandesgerichte wird die Beweislastumkehr bereits seit mehreren Jahren auch auf die Tierarzthaftung übertragen. Diese Linie hat der BGH nun bestätigt. Er begründet dies im Wesentlichen mit dem Argument, dass sowohl Human- als auch Veterinärmediziner einen lebenden Organismus behandeln und daher kein Unterschied bei den Grundsätzen der Haftung vorgenommen werden könne. Schließlich würde sich durch einen groben Behandlungsfehler auch für den Tierhalter bzw. Eigentümer eines Tieres eine Beweisnot ergeben, da er ebenfalls nicht die fachliche Kompetenz für die Einschätzung des Behandlungsverlaufes besitzt (Koch, NJW 2016, 2462). Diesem Umstand müsse mittels der angewandten Beweislastumkehr begegnet werden, da bei einem groben Verstoß gegen die Regeln der tierärztlichen Kunst die möglichen Ursachen der Schädigung erheblich erweitert werden (BGH, NJW 2016, 2503; Koch, NJW 2016, 2463). Untermauert wird dies nach Ansicht des Senats zudem durch § 90a BGB, der den Grundgedanken eines ethisch fundierten Tierschutzes im BGB verankert.

Praxistipp:

Die Entscheidung des BGH verschlechtert im Rahmen der Tierarzthaftung die Position der Behandler. Diese müssen künftig ihre Behandlungsmöglichkeiten umfassend ausschöpfen, um dem Vorwurf eines groben Behandlungsfehlers aus dem Weg zu gehen. Allerdings sind die Grenzen zwischen dem einfachen und groben Behandlungsfehler fließend. Insofern bedarf es einer genauen Auslotung der dabei bestehenden Grenzen, um im Falle eines Rechtsstreits adäquat reagieren zu können. Dabei stehen wir Ihnen gerne zur Seite.