Kopfprämien, Zuweiserpauschalen, „Ärzte verkaufen ihre Patienten“ … Mal wieder hat es die Presse geschafft, die Ärzte als Sündenbock der Nation darzustellen.
Was steckt dahinter? Was sind die Beweggründe? Welche Wege sind möglich? Ich möchte versuchen, einen Überblick über den aktuellen Stand der Diskussion zu geben.
1. Ausgangslage
In keinem Land gibt es so starre Sektorengrenzen, eine so strikte Trennung von ambulanter und stationärer ärztlicher Behandlung wie in Deutschland. Dass die anfangs gut gemeinten Ziele eine sinnvolle Patientenversorgung behindern, stellte der Gesetzgeber nach und nach fest. Zuletzt mit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG) wurde versucht, diese Trennung aufzuweichen, jedoch noch nicht weitreichend genug.
Positiv betrachtet, hat der niedergelassene Arzt ein Interesse, seinen Patienten auch im Krankenhaus zu behandeln oder zumindest zu begleiten. Aus diesem Grund such er allein oder im Verbund als Ärztenetz die Nähe zu Krankenhaus, um die Sektorengrenze zu überwinden.
Negativ betrachtet, verdienen Krankenhäuser durch überwiesene Patienten Geld, ohne sich bei ihren Einweisern erkenntlich zu zeigen. Der Arzt wünscht eine (finanzielle) Anerkennung für das Vertrauen, welches er dem Krankenhaus entgegenbringt, indem er immer wieder Patienten überweist.
Abgesehen von „schwarzen Schafen“ verstehe ich die Bestrebungen der Niedergelassenen als zum Teil erfolglosen Versuch, sinnvolle Behandlungspfade für ihre Patienten zu finden. Oftmals ist dieses Bestreben auch den Krankenhäusern nicht ungelegen, erbringen doch niedergelassene Ärzte in einigen Häusern Krankenhausleistungen.
2. rechtliche Brisanz
Die Überweisung von Patienten gegen Gewährung finanzieller oder sonstiger Zuwendungen ist gemäß § 31 Musterberufsordnung Ärzte (MBO-Ä) eine verbotene Zuweisung gegen Entgelt. Den Ärzten drohen berufsrechtliche Maßnahmen. Verträge, die hierzu Regelungen enthalten sind insgesamt unwirksam.
Aber auch abgesehen davon bestehen weitere Risiken. Erbringen Ärzte Krankenhausleistungen und rechnet das Krankenhaus diese gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung ab, besteht seitens des Krankenhauses kein Vergütungsanspruch, auch wenn die Leistungen ordnungsgemäß erbracht worden sind.
Strafrechtliche Aspekte sollen bei dieser Betrachtung außen vor bleiben.
3. Was sind die zulässigen Möglichkeiten sektorenübergreifender Zusammenarbeit?
Das SGB V sieht vor, dass Niedergelassene als Belegärzte oder Konsiliarärzte im Krankenhaus arbeiten können. Auch eine Teilzeitanstellung im Krankenhaus ist seit Einführung des VÄndG möglich. Dieser Schritt sollte aber genau bedacht werden, gelten doch hier Weisungsrechte des Krankenhauses zum Nachteil des Arztes und bestehen zu Lasten des Krankenhauses sämtliche Regelungen des Kündigungsschutzrechts. Eine so feste Bindung ist meist von beiden Seiten nicht gewünscht.
Weiterhin sind im Bereich der Vor- und Nachstationären Betreuung Lösungen nach § 115 ff. SGB V möglich. Hier gilt es jedoch, genau die rechtlichen Vorgaben zu beachten, um Nachteile zu vermeiden.
Auch verschiedene Formen der integrierten Versorgung nach § 140 a-d SGB V funktionieren ist der Praxis gut. Jedoch ist dieses Modell zu schwerfällig, um flächendeckend zum Erfolg zu führen.
4. Gerichtsentscheidungen
Seit einiger Zeit geistert die Entscheidung des Sächsischen Landessozialgerichts vom 30.04.2008 durch die Fachpresse. Das Bundessozialgericht war kurz davor, diesen Fall in nächster Instanz zu behandeln, doch kurz zuvor wurde die Klage zurückgenommen. Somit ist das Urteil rechtlich betrachtet nicht existent, verbreitet es dennoch Angst und Schrecken in den Krankenhausleitungen. Nach dieser Entscheidung sind ambulante Operationen durch Niedergelassene im Krankenhaus nicht gegenüber der GKV abrechenbar. Der zugrunde liegende Sachverhalt entspricht aber nicht der vielfach gelebten Verfahrensweise, so dass sich eine Verallgemeinerung verbietet.
Aber auch nach Ansicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf (I-20 U 121/08) ist eine prä- und poststationäre Betreuung von Patienten durch Niedergelassene unter Zahlung einer extrabudgetären Vergütung unzulässig.
5. Vorläufiges Fazit
Fest steht dass die sektorenübergreifende Zusammenarbeit trotz einiger Erleichterungen nach wie vor schwierig umsetzbar ist. Dies vor allem deshalb, weil viele der gesetzlichen Möglichkeiten an der Lebenswirklichkeit vorbeigehen, oder die Spielräume für individuelle Lösungen zu klein sind.
Relativ neu ist eine weitere Form der Belegarzttätigkeit, bei der die Beteiligten eine Honorierung des Arztes frei verhandeln können, § 121 Abs. 5 SGB V.
Zusätzlich ist es an der Zeit einen weniger konfliktbeladenen Musterfall zu Gericht zu bringen, der den Schrecken der LSG Sachsen Entscheidung beseitigt.
Alle Beteiligten sollten sich der vielfältigen Stolperfallen und Risiken bewusst sein. Pragmatische Ansätze und wirtschaftliche Notwendigkeiten führen aber oftmals nicht daran vorbei, neue Wege zu suchen. Vorab ist eine intensive fachkundige Beratung zwingend, um kalkulierbare Risiken offenzulegen.
6. Praxistipp
Öffentlichkeit und Gerichtsbarkeit reagieren immer dann besonders angefasst, wenn bei der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit Geld eine Rolle spielt. Den Beteiligten sollte bewusst werden, dass es auch abseits pekuniärer Interessen sinnvolle Formen der Zusammenarbeit gibt. Die gemeinsame Nutzung von Patientendaten, der IT-gestützte Wissens- und Informationsaustausch zwischen Niedergelassenen und Krankenhäusern sind Beispiele, die zu einer gegenseitigen Bereicherung führen und dem Patientenwohl dienen.
weitere Informationen folgen…