Der Fall:
Zwei Augenärzte waren bis zum 30.09.1999 zusammen in einer Gemeinschaftspraxis tätig. Zu diesem Datum schied einer der Ärzte aus der Praxis aus.
Der Gesellschaftsvertrag enthielt die Verpflichtung, bei Ausscheiden die Ausschreibung des Vertragsarztsitzes zu beantragen.
Dieser Verpflichtung kam der ausscheidende Arzt nicht nach. Die damalige überwiegende Rechtsmeinung war, dass solche Vertragsklauseln nichtig waren, weil ein Vertragsarztsitz ein nicht verfügbares „höchstpersönliches Recht“ sei.
Der verbleibende Arzt ging von der Wirksamkeit dieser Vertragsklausel aus und verfolgte sein Recht bis zum Bundesgerichtshof. Dieses Gericht erklärte mit Urteil vom 22.07.2002 die Klausel für zulässig, weil der Antrag auf Ausschreibung zwangsläufig auch den vertraglich nicht explizit erwähnten Zulassungsverzicht umfasst.
Auch auf Basis dieser Entscheidung stellte der ausgeschiedene Arzt nicht den Antrag auf Ausschreibung, so dass der verbleibende Arzt wiederum die Gerichte bemühen musste. Das Oberlandesgericht Zweibrücken verpflichtete den ausgeschiedenen Arzt im Mai 2005 zur Erklärung des Zulassungsverzichts zu Gunsten der Gemeinschaftspraxis.
Der verbleibende Arzt begehrte sodann die Neuausschreibung im überversorgten Gebiet. Da ihm dies verwehrt wurde, klagte er erneut, diesmal gegen die KÄV bis zum Bundessozialgericht.
Die Entscheidung:
Am 28.11.2007 erklärten die Richter: „Schön ist das nicht“. Doch das Vertragsarztrecht könne zivilrechtliche Probleme nicht reparieren. Auch in solchen Fällen müsse der Grundsatz gelten, dass in überversorgten Gebieten ein Vertragsarztsitz nur dann neu besetzt werden kann, wenn er frei geworden und zudem noch ein schützenswertes „Substrat“ des Sitzes vorhanden ist. Dies sei hier nicht mehr der Fall gewesen. Die Schuldfrage stellt sich in solchen Fällen nicht.
Dem verbliebenen Partner bleibe ein Schadenersatzanspruch. Ein entsprechendes Urteil hat der in der Praxis verbliebene Arzt vor dem Oberlandesgericht Zweibrücken erstritten. Über die konkrete Höhe streiten die ehemaligen Praxis-Kollegen noch immer…
Urteil des Bundessozialgerichts, Az.: B 6 KA 26/07 R
Praxistipp:
Die Entscheidung ist außergewöhnlich, weil zunächst der gesamte Zivilrechtsweg bis zum Bundesgerichtshof beschritten werden musste, um die Wirksamkeit der Vertragsklausel zu überprüfen. Ändern tut dies am Ergebnis im Vertragsarztrecht nichts.
In allen vergleichbaren Situationen kann nur geraten werden, so schnell wie möglich, alle verfügbaren Wege zu beschreiten, um den Sitz zu retten, oder wenigstens Schadensersatz zu bekommen.