Der Fall

Im vorliegenden Fall sah sich die Klinikleitung dem Vorwurf der Strafbarkeit ausgesetzt, nachdem im Krankenhaus mehrere Patienten durch einen Krankenpfleger getötet worden waren. Dieser hatte während seiner Tätigkeit in dem Krankenhaus mehreren Patienten tödliche Medikamentendosen verabreicht. Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass die Klinikleitung hiervon Kenntnis hatte, jedoch – um kein Aufsehen in der Öffentlichkeit zu erregen – nicht einschritt und damit die Begehung weiterer Taten billigend in Kauf genommen habe. In der Folge wurde – um die Angelegenheit weiterhin zu verbergen – dem Pfleger auch ein positives Zwischenzeugnis zu Bewerbungszwecken ausgehändigt. Aufgrund dessen wurde er in einem anderen Krankenhaus angestellt, in dem es zu weiteren Tötungsfällen kam. Allerdings informierten die Angeschuldigten die Klinikleitung des neuen Krankenhauses nicht darüber, dass der Pfleger mehrere Patienten getötet hatte bzw. hierfür maßgebliche Verdachtsmomente bestanden. Dies wurde auch im Arbeitszeugnis nicht erwähnt. Die Staatsanwaltschaft wertete dies als Totschlag durch Unterlassen und ging von einer Strafbarkeit der Angehörigen der Klinikleitung für die in dem anderen Krankenhaus begangenen Tötungsdelikte aus. Die Anklage wurde jedoch insoweit durch das Landgericht Oldenburg verworfen, wogegen die Staatsanwaltschaft Beschwerde einlegte.

Die Entscheidung

Das OLG Oldenburg gelangt zu dem Ergebnis, dass sich keine strafrechtliche Verantwortlichkeit aus einem Unterlassen ergebe. Insoweit fehle es maßgeblich an einer strafbewehrten Garantenstellung – also der Pflicht, eine konkrete Rechtsgutsgefährdung abzuwenden – sowie am erforderlichen Pflichtwidrigkeitszusammenhang.

Die Garantenstellung folge nicht aus einer vertraglichen und/oder tatsächlichen Übernahme für die Gewähr eines Rechtsguts. Zwar müsse im Rahmen eines Behandlungsverhältnisses alles unternommen werden, um potenzielle Schäden von den Patienten abzuwenden. Allerdings bestand ja gerade – im Hinblick auf das 2. Klinikum –  kein Behandlungsverhältnis zwischen den Angeschuldigten und den dort verstorbenen Patienten. Ferner fehle es auch an einer Garantenstellung, die sich aus dem Konstrukt der Geschäftsherrenhaftung ergebe. Diese beschränke sich auf die Verhinderung betriebsbezogener Straftaten. Hiervon sind gerade nicht solche Taten erfasst, die bei der Gelegenheit der betrieblichen Arbeit begangen werden.

Zudem schließt das OLG auch eine strafrechtlich relevante Garantenstellung aus Ingerenz aus. Eine solche ergibt sich regelmäßig aus einem pflichtwidrigen Vorverhalten, wenn dieses den Erfolgseintritt verursacht. Doch selbst wenn man das Verschweigen der Vorgänge im Arbeitszeugnis als pflichtwidriges Vorverhalten betrachten würde, fehle es zumindest am Pflichtwidrigkeitszusammengang zwischen dem  erstellten Arbeitszeugnis und den im nachfolgenden Klinikum begangenen Taten. Schließlich betrifft die Verpflichtung zur Erstellung eines vollumfänglichen Arbeitszeugnisses arbeitsrechtliche Interessen und dient nicht dem Schutz von Dritten.

Praxistipp

Kommt es in ambulanten oder stationären Gesundheitseinrichtungen zu Regelverstößen – insbesondere Straftaten – kann dies schwerwiegende Folgen für die zuständigen Entscheidungsträger haben. Um dies zu verhindern, muss ein umfassendes und effizient strukturiertes Compliance-System installiert und regelmäßig überprüft werden. Auf diese Weise lassen sich Problemfelder präventiv erkennen. Hierbei unterstützen wir Sie gerne.

RA Dr. Sebastian Braun