Im Rahmen einer Abrechnungsprüfung stehen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) umfassende Kontrollrechte zu. Diese hat das BSG durch ein Grundsatzurteil vom 24.10.2018 (B 6 KA44/17 R) bestätigt.

Der Fall

Geklagt hatte ein Orthopäde, der im Quartal I/2006 einer Abrechnungsprüfung unterzogen wurde. Anlass hierfür war die Kontrolle seiner Quartals- und Tageszeitprofile. Der Vertragsarzt hatte u.a. bestimmte Gebührenordungsziffern abgerechnet, deren Kombination eine Mindest-Arzt-Patienten-Kontaktzeit von 20 Minuten vorschrieb. Darauf aufbauend ergab sich für die Tageszeitvolumina des Orthopäden mehrfach eine Überschreitung der täglichen Arbeitszeit von 12 Stunden. Auf Basis dieser Erkenntnisse weitete die KV die Abrechnungsprüfung zudem auf die Folgequartale aus. In diesen ergaben sich in den Tageszeitprofilen ebenfalls Überschreitungen von bis zu 18 Stunden.

Die KV kürzte daher das ausgeschüttete Honorar. Aus ihrer Sicht sei dem Vertragsarzt nicht hinreichend bewusst gewesen, dass die parallele Abrechnung der Gebührenordnungspositionen die Einhaltung einer Mindestzeit voraussetze. Diese könne er nicht eingehalten haben, da die tägliche Arbeitszeit von 18 Stunden nicht nachvollziehbar gewesen sei. Der Vertragsarzt wandte sich gegen den Rückforderungsbescheid. Insbesondere monierte er, dass die KV die Abrechnungsprüfung initiativ auf weitere Folgequartale erstreckt hatte.

Die Entscheidung

Das BSG bestätigte das Vorgehen der KV. Da der Vertragsarzt die erforderlichen Mindestzeiten nicht eingehalten hatte, sei die Abrechnung falsch gewesen. Dies sei nach Auffassung des Gerichts immer dann der Fall, wenn die abgerechneten Leistungen im Hinblick auf die tatsächlich zur Verfügung stehende Zeit und den persönlichen Aufwand nicht hätten erbracht werden können (Rn. 14). Insbesondere sei die KV nicht daran gehindert, die Abrechnungsprüfung auch auf die Folgequartale zu erstrecken.

Für die Abrechnungsprüfung ist es nicht erforderlich, dass jedes zu untersuchende Quartal jeweils eigenständig Anlass zur Prüfung geben muss. Stattdessen sieht § 20 I der für das Abrechnungswesen einschlägigen Richtlinie eindeutig vor, dass eine Abrechnungsprüfung auch außerhalb der regulären Kontrollen durchführbar ist, wenn ausreichende und konkrete Hinweise auf Abrechnungsauffälligkeiten des Vertragsarztes bestehen. Da bei dem Kläger im Rahmen einer regulären Abrechnungsprüfung Ungenauigkeiten bei der Einhaltung der Mindestzeiten festgestellt wurden, reicht dies als „konkreter Hinweis“ aus, um die Prüfung auch auf die Folgequartale zu erstrecken (Rn. 18).

Praxistipp

Die Entscheidung des BSG verdeutlicht, dass die KV von dem Vertragsarzt eine umfassende Kenntnis der vom EBM veranschlagten Leistungszeiten erwarten darf. Die sog. peinlich genaue Abrechnung gehört schließlich zu den elementaren Pflichten in der vertragsärztlichen Versorgung (eingehend Braun NZS 2016, 897).

Im Rahmen von Abrechnungsprüfungen sind verstärkt solche Gebührenziffern problematisch, die der EBM mit einer Mindestzeit für die Leistungserbringung ausgestattet hat. Ist diese nicht eingehalten, darf keine Abrechnung erfolgen. Besonders prüfungsanfällig sind insofern auch die Gesprächsleistungen nach den GOP 35100/35110 sowie GOP 03230. Für diese setzt der EBM eine Mindestgesprächszeit von 15 (GOP 35100/35110) bzw. 10 Minuten (GOP 03230) voraus.  Hat man z. B. nur 8 Minuten mit dem Patienten gesprochen, darf die GOP 03230 nicht veranschlagt werden. Rechnet man Leistungen mit Mindestzeiten sehr oft ab, geht das Quartals- oder Tageszeitprofil automatisch in die Höhe. Dies traf auch auf den Orthopäden im Fall zu.

Oftmals entsteht bei der KV dann der Eindruck, dass die Vielzahl der in Ansatz gebrachten Leistungen aus zeitlichen Gründen nicht erbringbar gewesen ist. Um sich auf eine Abrechnungsprüfung vorzubereiten, ist daher eine sorgsame Dokumentation der Leistungszeiten ratsam. Dadurch lässt sich der Eindruck der Implausibilität auch für Folgequartale entkräften. Allerdings müssen auch sämtliche rechtlichen Voraussetzungen der Abrechnung beachtet werden. Wird diesbezüglich ein Verstoß festgestellt, darf die KV auf Basis der vorliegenden Entscheidung auch Folgequartale überprüfen.

Ärzten, die einer Abrechnungsprüfung unterzogen werden, ist die Einschaltung eines Rechtsberaters zu empfehlen. Aus Erfahrung ist es dann leichter, bereits bei der ersten schriftlichen Äußerung den Kern des Problems zu treffen und die tatsächlichen sowie abrechnungsrechtlichen Besonderheiten klar zu thematisieren.

Dabei stehen wir Ihnen gerne zur Seite.

RA Dr. Sebastian Braun