Eine aktuelle Entscheidung des OLG Düsseldorf (Beschl. v. 20.01.2017 – III -1 Ws 482/15) hat erneut das Thema Abrechnungsbetrug bei der Delegation von Speziallaborleistungen zum Gegenstand.

Der Fall

Angeschuldigt war ein Arzt, der Mitglied einer Laborgemeinschaft gewesen ist. Auf seine Veranlassung hin, wurden in dem betreffenden Labor auch Speziallaborleistungen erbracht. Hierbei handelte es sich um Probenuntersuchungen, die sämtlich voll automatisch und computergesteuert in Untersuchungsgeräten abliefen (sogenannte Black-Box-Verfahren) und von dafür geschultem Personal überwacht wurden. Erst zu einem späteren Zeitpunkt erschien der Angeschuldigte im Labor, rief dort an einem Computer die Befunde der von ihm angeforderten Untersuchungen auf und prüfte diese auf medizinische Plausibilität („medizinische Validation“). Die Speziallaborleistungen rechnete er in der Folge als eigene Leistungen gegenüber den Patienten ab. Dies wertete die Staatsanwaltschaft als Abrechnungsbetrug, da es sich nicht um eine eigene Leistung des Arztes handele.

Die Entscheidung

Der vorliegende Beschluss des OLG Düsseldorf setzt sich ausführlich mit dem Täuschungsmerkmal des § 263 StGB auseinander und verneint die Strafbarkeit des Arztes. Um die Grenzen zum Abrechnungsbetrug zu wahren, muss der Arzt an den Laborvorgängen dergestalt teilgehabt haben, dass es sich bei der Untersuchung um eine eigene Leistung i.S.v. § 4 Abs. 2 S. 1 GOÄ handelt.

Dies kann  nach der hier in Betracht kommenden Variante gem. § 4 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GOÄ nur dann der Fall sein, wenn die Leistung unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurde. Die Qualifizierung als Täuschung und ggf. Abrechnungsbetrug hängt demnach davon ab, ob das Verhalten des Arztes unter den Begriff der „Aufsicht“ nach fachlicher Weisung zu subsumieren ist. Einigkeit besteht insoweit nur darin, dass der Arzt der Leistung sein persönliches Gepräge geben muss.

Strittig ist hingegen, wann dies im Zusammenhang mit der Delegation von Speziallaborleistungen der Fall ist. Innerhalb der Rechtsprechung existiert kein allgemeingültiger Maßstab zur Auslegung von § 4 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GOÄ . Dies ist in jüngerer Zeit durch verschiedene landgerichtliche Entscheidungen verdeutlicht worden. Das LG Köln hat mit seinen Urteilen vom 11.2.2015 sowie 7.4.2016 darauf abgestellt, dass der abrechnende Arzt während des gesamten Untersuchungsvorgangs persönlich und nicht nur telefonisch ansprechbar sein müsse und dies in der Regel nur bei räumlicher Präsenz gewährleistet sein könne. Nach dem Beschluss des LG Düsseldorf vom 9.10.2015 genügt die Erreichbarkeit des Arztes und die letztendlich persönlich durchgeführte Validierung. Es fehlt somit bislang an einer abschließenden Beurteilung der Reichweite von § 4 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GOÄ.

Vor diesem Hintergrund ist dem OLG Düsseldorf uneingeschränkt zuzustimmen, wenn es die im Rahmen von § 4 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GOÄ existierenden Auslegungsmöglichkeiten zum Anlass nimmt, um die Täuschung un einen strafbaren Abrechnungsbetrug abzulehnen. Die vom Angeschuldigten vorgenommenen Abrechnungen basieren vorliegend auf einer Lesart, die selbst von der Rechtsprechung bereits angewendet worden ist und daher als vertretbar eingestuft werden muss. Demzufolge handelt es sich – wie das OLG zutreffend ausführt – nicht um eine Tatsache, sondern um die bloße Äußerung einer Rechtsauffassung hinsichtlich der Abrechenbarkeit der Leistung. Eine solche stellt jedoch keine Erklärung über einen objektiv eindeutigen und dem Beweis zugänglichen Umstand, sondern lediglich eine wertende Aussage über die Rechtslage dar. Es fehlt daher an einem zentralen Merkmal des Tatsachenbegriffes, sodass bereits keine Täuschung vorliegt.

(so im Ganzen Dr. Sebastian Braun in ZWH 2017, 204-207).

Praxistipp

Die Entscheidung verdeutlicht, dass die bestehenden Auslegungsprobleme des § 4 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GOÄ nicht zu Lasten des Angeschuldigten gehen dürfen. Allerdings geht damit keineswegs ein Freibrief einher. Jeder Arzt, der Laborleistungen delegiert, muss bei der Abrechnung penibel prüfen, ob er diesen – zumindest durch eine eigens durchgeführte Validierung – sein persönliches Gepräge verliehen hat. Anderenfalls besteht der Verdacht, dass es sich hier um einen Abrechnungsbetrug handeln könnte.

 

RA Dr. Sebastian Braun