Die Gesetze der freien Wirtschaft gelten im Gesundheitsmarkt oftmals nur unter Vorbehalt. Ist es sonst üblich, Empfehlungen für andere Dienstleister auszusprechen und hierfür ggf. von diesen Provisionen zu erhalten, gilt dies im Gesundheitswesen nicht.

Warum ist das so?

Der Gesetzgeber und die Rechtsprechung gehen davon aus, dass sich kranke Menschen in einer Art Notlage befinden und deshalb besonders (leichtgläubig) empfänglich für Angebote der Unterstützung sind. Damit der Arzt und andere Leistungserbringer dies nicht ausnutzen, gibt es Schutzregelungen im ärztlichen Berufsrecht und seit einiger Zeit auch in § 128 SGB V.

Auch wenn in weiten Bereichen der Gesundheitsbranche Tendenzen der Liberalisierung erkennbar sind, hat der Bundesgerichtshof in seinen Entscheidungen vom 13.01.2011 (Az.: I ZR 111/08 und Az.: I ZR 112/08) ganz deutlich Grenzen aufgezeigt, wie Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen zusammenarbeiten dürfen.

Der Fall:

Im Verfahren ging es um die Frage, in welcher Weise HNO-Ärzte einen bestimmten Hörgeräteakustiker empfehlen durften. Um herauszufinden, wie Patienten verwiesen wurden, griff man zu allerhand „Trick“ wie Testpatienten etc. Da am Ende kein klares Ergebnis gefunden wurde, verwies der BGH zur Sachaufklärung an das zuständige Berufungsgericht zurück. Der Bundesgerichtshof gab aber folgende rechtliche Einschätzung ab:

Die Entscheidung:

§ 34 Abs. 5 der ärztlichen (Muster)Berufsordnung (BO) schützt die unbeeinflusste Wahlfreiheit des Patienten in Bezug auf Apotheken, Geschäfte und Anbieter gesundheitlicher Leistungen. Dem Arzt ist es untersagt, ohne sachlichen Grund Patienten an bestimmte Anbieter zu verweisen.

Aus den Entscheidungsgründen lässt sich für die Praxis folgende Stufenfolge entwickeln:

  1. Empfehlungen darf der Arzt überhaupt nur aussprechen, wenn der Patient danach fragt. Keine Frage – keine Empfehlung!
  2. Fragt der Patient, weil er mit seinem Anbieter unzufrieden ist, einen preiswerteren Dienstleister sucht oder keinen kennt, ist der Arzt gehalten, dem Patienten mit einem Rat zu helfen.
  3. Für den Dienstleister, den der Arzt empfiehlt, muss ein sachlicher Grund sprechen.

Nach Ansicht des BGH ist ein solcher „sachlicher“ Grund dann gegeben, wenn die Verweisung an einen bestimmten Hilfsmittelanbieter aus Sicht des behandelnden Arztes aufgrund der speziellen Bedürfnisse des einzelnen Patienten besondere Vorteile in der Versorgungsqualität bietet. Auch die Vermeidung von unnötigen Wegen bei gehbehinderten Patienten sei als hinreichender Grund anzusehen. Die allgemeine fachliche Kompetenz oder räumliche Nähe eines Leistungsanbieters genüge dem Gericht zufolge nicht, da dies einen generellen Verweisungsgrund darstellen würde. Dies sei aber mit dem Ausnahmecharakter dieser Regelung nicht vereinbar.

Der zweite Themenkomplex der Entscheidungen ist die Frage, inwieweit Ärzte andere Unternehmen empfehlen dürfen, an denen sie finanziell beteiligt sind.

Den meisten Akteuren im Gesundheitsmarkt dürfte inzwischen klar sein, dass Provisionszahlungen, Kick-Back-Modelle und Kopfprämien gegen das Verbot der Zuweisung gegen Entgelt gemäß § 31 BO verstoßen. Wie sieht es aber aus, wenn der Arzt mehr oder weniger versteckt unternehmerisch an anderen Dienstleistern beteiligt ist.

Hier sagt die Rechtsprechung, dass auch dann eine verbotene Zuweisung gegen Entgelt vorliegt, wenn der Arzt durch sein Überweisungsverhalten seinen Gewinnanteil an diesem Unternehmen beeinflussen kann. Dies kann dann eindeutig verneint werden, wenn die Beteiligung eher gering ist. Kein Problem ist etwa das Halten von Aktien an einem Pharmaunternehmen, egal ob dessen Produkte verschrieben werden.

Praxistipps:

Seien Sie bei Empfehlungen von Leistungserbringern gegenüber Ihren Patienten stets vorsichtig. Verstöße gegen § 34 Abs. 5 und § 31 BO können sowohl berufrechtliche Konsequenzen als auch wettbewerbsrechtliche Folgen nach sich ziehen.

Bedenken Sie auch, dass sämtliche Verträge (Kooperations-, Gesellschaftsverträge etc.) nichtig sind, da diese gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen.

Bevor Sie unternehmerische Beteiligungen eingehen, umfangreiche Konzepte zur Optimierung der Zusammenarbeit mit anderen Dienstleistern entwickeln etc. sprechen Sie mit einem Fachanwalt für Medizinrecht, um eventuelle Probleme von vorherein zu klären.

4 thoughts on “Grenzen der ärztlichen Empfehlung anderer Dienstleister

  1. Bei Empfehlungen gegen Provision – egal in welcher Form – ist das Urteil des BGH bei Zugrundelegung der Berufsordung nachvollziehbar. Das es immer noch Grauzonenbereiche gibt, wissen wir auch. Wie sieht es nun aber konkret in der Praxis aus?

    Beispiel:

    In vielen Praxen (ob Arzt- oder Zahnarztpraxen) steht/liegt/hängt Informationsmaterial zu allen erdenklichen Diensteistern aus: Zusatzkrankenversicherungen, Nahrungsergänzungsmittel aus dem Shop nebenan oder eben wie in dem oben beschriebenen Fall Dienstleister aus dem Heilmittelgewerbe.

    Wie stellt der Praxisinhaber/die Praxisinhaberin denn nun klar, dass es eben keine Empfehlung zum Wohle des Bankkontos ist? Sollte man in der Praxis nun generell davon Abstand nehmen? Wenn Arzt Kollege Augenoptiker um die Ecke wegen seines definitiv fachlichen Know-How´s empfiehlt und am Jahresende dafür eine Flasche Wein und einen Gutschein für eine Designerbrillengestell (SACHLEISTUNG) bekommt – fällt das denn schon unter das o.g. Urteil?

    Die oben beschriebenen Beispiele begegnen mir tagtäglich bei meiner Arbeit. Das ist Alltag. Wäre interessant hier zu lesen, wie Praxis damit umgehen sollte 😉

    MfG aus muc
    DB

  2. Vielen Dank für Ihren Kommentar.

    Ich weiß, die Dinge, die Sie beschreiben sind alltäglich. Gleichwohl ist die Rechtsprechung sehr restriktiv. Verboten ist somit auch die Empfehlung nur eines Anbieters durch Plakate, Flyer, Visitenkarten und Gutscheine (vgl. Oberlandesgericht Hamm, AZR 2008, 75, 76).

    Ich denke, ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist, Sensibilität für dieses Thema zu entwickeln, statt all zu schnell mit einem falschen Unrechtsbewusstsein die Dinge geschehen zu lassen.

    Ein leider typischer Juristenspruch muss deshalb lauten: Es kommt darauf an. Und so ist es auch. Meist ist eine pauschale Aussage nicht geeignet, für alle Eventualitäten zu gelten, sondern im Einzelfall ist zu entscheiden, was geht und was nicht. Deshalb würde ich Ihre Detailfragen gerne persönlich diskutieren, damit wir eine Lösung für genau Ihre Situation finden können.

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